Würzburg - Hannover: Allgemeines
Infrastruktur für den HGV
Bereits in den frühen Jahren waren die Hauptanforderungen des Marktes am Verkehr bekannt. Dazu zählen
- Geschwindigkeit
- Zuverlässigkeit und Sicherheit
- Komfort
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, bedarf es eines in sich homogenen Systems. Dazu zählen neben den entsprechenden Fahrzeugen auch Hochgeschwindigkeitsstrecken sowie dazugehörende Betriebsleittechnik und Instandhaltung.
Bereits im Jahre 1835, als der Adler von Nürnberg nach Fürth fuhr, nahmen die Eisenbahnstrecken rasant zu. Allerdings orientierte man sich damals nur an den geographischen Gegebenheiten und an den politischen Grenzen. Erst allmählich setzte sich der Gedanke durch, Verkehrswege und Verkehrsströme miteinander zu vernetzen. Dieser Gedanke flachte nach einer Zeit ab, es wurden keine neuen Fernstrecken gebaut.
Ende der 60er tauchten Prognosen auf, die einen langsamen aber sicheren Bevölkerungszuwachs und höheres Verkehrsaufkommen garantierten. Eine volkswirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Verteilung dieser war anzustreben. Daraufhin wurden 1969 erste Planungen in Angriff genommen, der Bundesverkehrswegeplanung. Diese sah für die Zukunft vor, dass Hauptachsen hergestellt werden, die eine hohe Betriebsqualität garantieren und unter Berücksichtung guter internationaler Anschlüsse und guter Übergänge zum Regional-, Individual- und Flugverkehr gebaut werden.
Hochgeschwindigkeitssysteme eignen sich nur zur Verbindung von Ballungsräumen. In Deutschland liegen die Ballungsräume dich beieinander. Dazu hat man sich für ein in sich vernetztes System entschieden, welches eine fahrplanmäßige Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h auf Neubaustrecken (NBS) und 200 km/h auf Ausbaustrecken (ABS) vorsieht, entschieden.
Unter Berücksichtigung von Mischbetrieb (Güter- und Personenverkehr) ergaben sich für die Linienführung beispielsweise folgende Parameter:
- Gleislängsneigung mit maximal 12,5 Promille
- Mindestradius der Bögen von 5 100 Metern
- Regelradius der Bögen von 7 000 Metern
Die Streckenführung erforderte zahlreiche Tunnel- und Brückenbauwerke, aufgrund der Mittelgebirgs-Topografie.
Tunnel
Da schwierigen Boden- und Grundwasserverhältnissen nur in wenigen Fällen ausgewichen werden kann, sind bei der Planung und Bau der Tunnelbauwerke Sachkenntnis, Ideenreichtum und Flexibilität gefordert. Die wesentliche Randbedingung stellen die geologischen Verhältnisse und die Geometrie der Tunnelquerschnitte dar. Deshalb wurden die Tunnel der NBS zu 80 % in bergmännischer Bauweise mit konventionellem Vortrieb vorgenommen. Dazu zählen auch Teilausbrüche, Sprengbetrieb oder Baggerbau und Spitzbetonsicherung.
Neben der bergmännischen Bauweise kam auch die offene Tunnelbauweise zum Einsatz.
Brücken
Grundlagen für den Bau sind Vorgaben, die den wirtschaftlichen, funktionalen und konstruktiven Rahmen abstecken. Diese Vorgaben konnten beim Entwurf vor allem bei Talübergängen und Aufständerungen genutzt werden. Die endgültige Art der Bauausführung wurde später aufgrund des Ausschreibungswettbewerbs festgelegt. Kennzeichnend für die Rahmenvorgaben sind z. B.:
· Lagerung der Überbauten auf einer Reihe verhältnismäßig schmaler Pfeiler
· Leichte Zugänglichkeit für die Instandhaltung
· Konstanter Fahrbahnquerschnitt und damit eine konstante Bauwerksbreite
Bis auf wenige Ausnahmen wurden die Brücken der NBS Hannover - Würzburg in Spannbeton gebaut.
Oberbau
Für den Oberbau auf Schnellfahrstrecken müssen folgende Anforderungen erfüllt werden:
- Sicheres Führen von Personenzügen mit bis zu 280 km/h und Güterzügen mit Achslasten bis zu 22,5 t
- Hoher Reisekomfort auch bei hohen Geschwindigkeiten
- Hohe Verfügbarkeit und geringer Aufwand für die Instandhaltung (Liegezeit zwischen 40 und 60 Jahren ist einzuhalten, etc.
- Geringe Luft- und Körperschallabstrahlung
- Hohe Wirtschaftlichkeit durch Optimierung von Instandhaltungs- und Erstellungskosten und Nutzungsdauer
Aufgrund dieser Anforderungen kam auf der NBS der bewährte Schotteroberbau mit Schienen UIC 60 auf Spannbetonschwellen B 70 W zum Einsatz. Neu war, dass er auf einer Frostschutzsschicht und durchgehender Planumsschutzschicht aufgebaut wurde. Für vier Tunnel wurde der Oberbau mit festern Fahrbahn gewählt, um Erfahrungen im Bau und Betrieb zu sammeln. Diese Erkenntnisse gingen neuerdings in die NBS Ingolstadt – Nürnberg ein.
Für den Eisenbahnbetrieb und für Betriebsstörungen wurden Überleitverbindungen zwischen den Streckengleisen in einem Abstand von etwa sieben Kilometern vorgesehen. Die Überleitgeschwindigkeit beträgt 130 km/h.
Energieversorgung
Die Anforderungen an die Energieversorgung steigen durch höhere Geschwindigkeiten bis zu 280 km/h, den Einsatz von Zügen mit höherer Leistung sowie die Erhöhung der Beförderungskapazität. Daher war es notwendig, die vorhandenen Infrastrukturen auszubauen und anzupassen. Dazu gehören z. B. die Stromgeneratoren, die Stromleitungen und Stromunterwerke sowie Schaltanlagen.
Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Energie-Übertragungssystem von der Oberleitung zum Stromabnehmer gewidmet. Aufbauend auf den Erfahrungen mit den vorhandenen Oberleitungsbauarten wurde die Bauart Re 250 entwickelt. Sie garantiert ein hohes Maß an Sicherheit und Zuverlässigkeit und ermöglicht kurze Instandhaltungszeiten.
Bahnhöfe
Die Bahnhöfe auf HGV-Strecken stellen einen wichtigen Punkt dar. Sie stehen im unmittelbaren Kontakt zum Bahnkunden und sind wichtige Zwischenstationen bei der betrieblichen Verkehrsabwicklung. Alle Bahnhöfe entlang der Strecke sind eher „historisch“. Sie wurden an das neue Erscheinungsbild angepasst und typisiert. Der Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe wurde komplett neu entwickelt und gebaut. Er ist damit neuer Schwerpunkt im Personenverkehr für die Stadt Kassel. Hier werden die Übergänge zwischen Stadt, Nahverkehr und Fernverkehr gestaltet. Dies geschieht auch durch die Straßenanbindung, durch die futuristische Architektur und Ausstattung des Bahnhofs.
Ferner sind zwei weitere Typen von Bahnhöfe wichtig:
- Die Verknüpfungsbahnhöfe
Sie haben eine ähnliche Aufgabe wie die normalen Fernbahnhöfe - Die Überholungsbahnhöfe
Sie erfüllen betriebliche Aufgaben. Alle 20 km ist ein solcher Bahnhof vorzusehen, damit der HGV langsamere Züge überholen kann
Umweltschutz
Der Bau der NBS erforderte eine gestreckte Linienführung, Dämme, Einschnitte, Tunnel und Brücken. Um diese Eingriffe in die Natur umweltverträglich zu gestalten, spielen ökologische Gesichtspunkte bei der Planung, Betrieb und beim Bau der Strecke eine herausragende Rolle. Schon bei der Trassenplanung wurden Umweltgesichtspunkte berücksichtigt. So wurde erst nach ausführlichen Untersuchungen (Umweltverträglichkeitsprüfung) eine Trasse ausgewählt und in das Raumordnungsverfahren eingebracht. Landschaftspflegerische Begleitpläne wurden im Rahmen des anschließenden Planfeststellungsverfahrens aufgestellt. Die Pläne enthalten die durchzuführenden umweltrelevanten Maßnahmen und werden mit den Bauplänen verbindlich festgestellt. Zu den Maßnahmen zählen z. B.:
- Schaffung von Erholungsgebieten
- Anlegen von Biotopen
- Regenrückhaltebecken und Schallschutzmaßnahmen
- Einpassung von Deponien und Dämmen
Für derartige Maßnahmen wurden im Bereich der NBS Investitionen in Höhe von 10 bis 15 Prozent der Gesamtinvestition getätigt.
Betriebsleittechnik
Unter diesem Begriff werden die Funktionsbereiche Zugstraßensicherung, Zugbeeinflussung, Signalisierung, Betriebsüberwachung und Fernmeldewesen zusammengefasst. Sie dienen der sicheren Betriebsabwicklung.
Zugstraßensicherung
Die Zugstraßensicherung soll die Gefährdung einer Zugfahrt durch eine andere Zugfahrt auszuschließen. Dazu wurden entlang der NBS Leitstellen eingerichtet, die bestimmte Streckenabschnitte überwachen. Zudem gibt es drei EStW (elektr. Stellwerke), bei denen Mikrocomputer die Aufgaben der Relais übernehmen und Weichen sowie Signale von Stellrechner angesteuert werden.
Zugbeeinflussung
Wegen der geringen Abstände zwischen den Signalen (1 000 Meter) sind Geschwindigkeiten über 160 km/h nicht möglich. Deshalb wurde die gesamte NBS mit einem Linienzugbeeinflussungssystem (LZB) eingerichtet.
Mithilfe von Zugnummernmeldeanlagen können alle Züge detailliert dargestellt werden. Mit diesen Einrichtungen ist es möglich, betriebliche Dispositionen zu treffen, Züge automatisch zu führen und somit gezielt den Betriebsablauf eingreifen zu können.
Signalisierung
Aufgrund des Einsatzes von Zugbeeinflussung und rechnergesteuerter Zugüberwachung hätte auf den NBS auf eine Signalisierung prinzipiell verzichtet werden können. Damit aber auch Züge ohne diese Ausstattung fahren können, wurden Lichtsignale an den Überleitstellen und in den Betriebsbahnhöfen installiert. Dadurch ist auch ein Verkehr bei Störungen bis zu 160 km/h signalabhängig möglich.
Telekommunikation
Auf den Schnellfahrstrecken wurden zusätzlich Fernmeldeanlagen und Anlagen zur Übertragung von Steuerungsdaten eingesetzt.
Zu den Fernmeldeanlagen gehören der Zugfunk, Fernsprecheinrichtungen an den Strecken und das Tunnelfunksystem. Mit diesen Einrichtungen ist es möglich, betrieblichen Informationen zwischen Zug, Strecke und Betriebsleitung auszutauschen. Außerdem kann dem Kunden ein öffentliches Telefon, der Empfang von Rundfunkprogrammen und des europäischen Funkrufs angeboten werden.
Mit dem Tunnelfunksystem können die Tunnel über strahlende Kabel (sog. Leckkabel) mit Funksignalen versorgt und die Züge auch im Tunnel geortet werden. Somit können Telefongespräche übertragen werden.
Eine weitere wichtige Einrichtung sind die Meldeanlagen. Sie haben die Aufgabe, Zustandsmeldungen über Strecke, Anlagen an der Strecke und Züge dem Betriebspersonal über ein computergestütztes System aufbereitet und mit Handlungsvorschlägen anzuzeigen. Bei den Meldeanlagen handelt es sich um:
- Brandmeldeanlagen
- Windmeldeanlagen
- Luftstrommeldeanlagen
- Heißläuferortungsanlagen
- Notrufzentralen mit Sprechstellen
Instandhaltung
Um ICE-Fahrzeuge störungsfrei und zuverlässig einsetzen zu können, müssen sie fristgerecht gewartet werden. Dazu wurde Anfangs in Hamburg-Eidelstedt ein ICE-Werk errichtet, welches sich um die Baureihe 401 kümmert. Mehr dazu erfahren Sie unter Informationen ICE-Baureihen ICE-Betriebswerke.
Fazit
Fast 18 Jahre Planungs- und Bauzeit wurden für die beiden NBS Hannover - Würzburg und Stuttgart – Mannheim bis zur Fertigstellung benötigt. Eine Vielzahl von Einzelaktivitäten war notwendig, um termingerecht das mit dem Fahrplanwechsel 1991 vorgegebene Ziel des Eintritts in das Hochgeschwindigkeitsverkehr zu erreichen. Erst nach Abschluss der erforderlichen Rechtsverfahren konnte der Bau der Neubaustrecken im Jahr 1981 auf ganzer Länge aufgenommen werden. In diesen 18 Jahren wurde für die beiden Neubaustrecken:
- 970 km Gleise
- 384 Brücken mit 35 km Länge
- 76 Tunnel mit 152 km Länge
- 99 km Dämme
- 119 km Einschnitte
- 10 Überholungsbahnhöfe gebaut
Parallel dazu verlief das Hochbauprogramm für Betriebsgebäude. Dazu zählten der Neubau des ICE-Bahnhofs Kassel-Wilhelmshöhe, die Anpassung von 14 Bahnhöfen an den Standard des ICE (Bahnsteighöhe und –länge) und der Neubau des Kreuzungsbahnhofs Vaihingen an der Enz.